Schwalben:
       
- Verquittert, Verquattert, Verteert -
Schwalben in Atteln

Erzbischof Hans-Josef Becker brachte es auf der 300 Jahr Feier der Attelner Schützen im August 2010 auf den Punkt: „Ein schönes Dorf, aber – ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel – hier fehlen Kuhscheiße und Schwalben.“ Er hat Recht. Von den Schwalben soll hier die Rede sein. Der sommerliche Himmel über Atteln ist leer geworden. Die Vögel, die man dort eventuell noch sieht, sind meistens keine Schwalben, sondern Mauersegler.

Obwohl eigentlich sehr beliebt, sind Rauch- und Mehlschwalben in unserem Ort deutlich weniger geworden. Schätzungen zufolge sind die Bestände seit 1970 um 50-70 Prozent zurückgegangen. Natürlich gibt’s diesen Trend nicht nur in Atteln und Umgebung sondern in ganz Mitteleuropa, während die Bestände in Süd- und Osteuropa noch stabil sind. In Nordrhein-Westfalen mussten beide Arten auf die Rote Liste gesetzt werden. In der Schweiz wurde die Mehlschwalbe zum Vogel des Jahres 2010 gewählt.

Woran liegt das und was kann man dagegen tun?

Rauchschwalbe
Die klassische „Dorfschwalbe“, mit langen Gabelschwanz, roter Kehle und dem „witt witt“ Ruf. Meine Oma sang auf plattdeutsch ihren Gesang mit „verquittert, verquattert, verteert“ nach und freute sich über die Rückkehr unserer Schwalben im Frühjahr. Die Rauchschwalbe könnte bei uns auch Vieh- oder Stallschwalbe heißen, denn sie baut ihr Nest fast immer in Stallungen oder auf Deelen. Kuh-, Schweine- oder Pferdeställe – mit dem Vieh drin – bieten v.a. im Frühjahr eine warme Unterkunft und während längerer Regenphasen finden sie hier Fliegen als Notration. Aufgegebene Ställe werden in der Regel auch von den Rauchschwalben verlassen, selbst wenn Nester vorhanden sind.

Bei uns nisten Rauchschwalben nur noch in wenigen Bauernhöfen, v.a. in den Kuh- und Rinderställen.
Viele Landwirte haben aber die Kuhhaltung aufgegeben und auf intensive Schweinemast umgestellt. Mit drastischen Folgen für unsere Schwalben, denn in modernen Schweineställen bleiben die Fenster geschlossen, weil hier eine Lüftungsanlage für frische Luft sorgt.

Sie legen 3-5 Eier, die 17 Tage bebrütet werden. Die Jungen bleiben 3 Wochen im Nest bis sie ausfliegen. Eine Familie fängt während der Brutzeit etwa 1 kg Insekten, das entspricht etwa 250.000 Stück! Zwei Jahresbruten sind die Regel. Die Vögel können ein Alter von 4 bis 5 Jahren erreichen.

Attelns größtes Rauchschwalbennest hängt in
Husterns Deele (Familie Wigge).
Es ist seit über 20 Jahren an der Stelle und wird fast jedes Jahr aufs Neue bezogen.
Die Schwalben haben das Nest dabei kontinuierlich erhöht. Ich habe nirgendwo ein höheres Rauchschwalbennest gesehen.

 

Mehlschwalbe (auch Steinschwalbe genannt)

Diese etwas kleinere Schwalbe nistet außen am Haus, unterm Dachüberstand. Ihr größtes Problem ist der Sauberkeitsanspruch vieler Hausbesitzer, die Mehlschwalben nicht am Haus haben wollen, weil sie „Dreck machen“. Deshalb werden unter dem Dachvorsprung häufig Drähte gespannt, Plastikbänder angebracht und leider auch immer wieder Nester abgestoßen. Bis Anfang der 1990er Jahre gab es bei uns auch Nester auf den Deelen. Dabei hatten die Mehlschwalben ihre Nester ganz vorn auf der Deele, während die Rauchschwalben weiter hinten brüteten. Auf Schemels Deele in unserer Nachbarschaft (heute Familie Keuter), brüteten noch in den 1970er Jahren über 20 Paare. Pro Jahr flogen allein hier 140-150 Junge aus! (allein diese Vögel haben etwa 4 Mio Insekten gefangen).

Heute ist auch die Mehlschwalbe bei uns selten geworden. Nur noch an wenigen Häusern kleben ihre Nester, meistens 1-2, ganz selten 3-4 pro Haus. Die allermeisten Häuser sind heute leider schwalbenfrei! In Sachen Brutgeschäft ist es ähnlich wie bei der Rauchschwalbe.

 

Wenn Sie den Schwalben helfen wollen, hier einige Anregungen.

Rauchschwalbe
-> Offene Fenster:
Wenn Sie Kühe, Rinder, Schweine oder Pferde haben, lassen Sie mindestens ein Fenster weit genug offen, dass die Rauchschwalben mit Schwung durchfliegen können. Viele Landwirte haben auf Schweinehaltung umgestellt. Für die Zukunft unserer Rauchschwalben ist es deshalb wichtig, ihnen einen Platz in den modernen Schweineställen zu ermöglichen. Dabei reicht schon ein einziges offenes Fenster nach Möglichkeit zu einem Bereich, der von den intensiven Desinfektionsmaßnahmen verschont bleibt.


-> Nisthilfen:
In modernen Ställen sind die Wände oft zu glatt und bieten daher wenige Möglichkeiten zum Nestbau. Es empfiehlt sich kleine Holzleisten – (12cm lang x 5cm breit) etwa 15-20cm unter die Decke anzubringen, um ihnen den Bau der Nester zu erleichtern. Es werden natürlich auch fertige Nester aus Holzbeton angeboten.

-> Kotbrett:
Sollte Ihnen der Kot nicht gefallen, reicht ein 30x20cm großes Brett etwa 30cm unterhalb des Nestes.

Mehlschwalbe
-> Lassen Sie Schwalben nisten
Wenn Sie der Kot stört, bringen Sie ein Brett (30x20cm) unterhalb des Nestes an. WICHTIG: Das Kotbrett sollte einen Mindestabstand von 75cm zum Nest haben, damit die Schwalben ungehindert und mit Schwung anfliegen können. An vielen Häusern wurden solche Bretter unmittelbar unter die Dachsparren genagelt. Das ist den Schwalben meistens zu eng und das Nest wird dann nicht mehr angenommen.

-> Kunstnester
Wenn man gezielt Mehlschwalben anlocken möchte, haben sich Kunstnester bewährt. Da die Vögel gern in Kolonien nisten, sollten Sie am besten immer mindestens 4 nebeneinander hängen.

Mit Kunstnester kann man
Mehlschwalben „anlocken“

Maßnahmen für beide Arten
-> Pfützen braucht das Dorf
Beide Schwalbenarten bauen ja bekanntlich ihre Nester aus Lehm, den sie aus feuchten Pfützen sammeln. Es klingt auf den ersten Blick lächerlich, aber den Schwalben geht das Baumaterial aus. Wir haben es tatsächlich fast geschafft, auch die letzten Pfützen in unserem Ort zu beseitigen, die letzten Erdwege und offenen Plätze zu asphaltieren, betonieren oder mit Kies zu überschütten. So sammelten Schwalben viele Jahrzehnte lang ihr Nistmaterial z.B. an der „Wassertweete“, dem Feldweg, der am nördlichen Dorfrand zur Altenau führt. Manchmal sammelten dort 20-30 Schwalben gleichzeitig ihr Nistmaterial. Seit Mitte der 1990er Jahre ist dieser Weg mit Splitt überschüttet und damit für die Schwalben verloren.

Zuviel Sauberkeit:
Es gibt kaum noch Lehmpfützen bei uns

-> Offene Schlammflächen belassen
Falls Sie auf Ihrem Grundstück im Dorf oder in Dorfnähe eine offene Schlammfläche haben, belassen Sie die. Wo noch Erdwege in sind, sollten die keinesfalls verbaut oder überschottert werden.

-> Schlammpfützen anlegen
Am einfachsten geht das, indem Sie eine mindestens 30x30cm große Mulde mit einer Plastikfolie auslegen und dann mit Erde überdecken. Anschließend mit Wasser vermischen. Vor allem bei Hitze regelmäßig nass halten. Kann man auch mit einem großen flachen Gefäß machen. Wichtig für den Standort der Pfütze ist, dass die Schwalben eine gute Übersicht haben und gut an- und abfliegen können. Also nicht in Ecken oder neben Sträuchern anlegen.

Beide Schwalbenarten jagen im Umkreis von etwa 1 Kilometer um das Nest nach Beute. Wenn sie weiter fliegen müssen, ist der Energieaufwand zu groß. Und hier liegt auch ein Problem: Wenn man sich ältere Fotos von Atteln anschaut, wird schnell klar, dass unsere Landschaft wesentlich eintöniger geworden ist. Viele große Dorfbäume sind ebenso verschwunden wie Obstbaumwiesen, Hecken, Feuchtflächen, artenreiche Feldraine etc. Das bedeutet auch weniger Insekten und damit weniger Nahrung für unsere Schwalben und infolge weniger Nachwuchs. Besonders während Schlechtwetterphasen sind solche Bereich in der Landschaft von entscheidender Bedeutung für die Vögel.

-> Lassen Sie große Dorfbäume, Hecken und Obstbäume stehen.
Untersuchungen haben ergeben, dass v.a. Linden gern von Schwalben umflogen werden, weil sich hier besonders viele Fluginsekten aufhalten.

-> Pflanzen Sie Bäume, legen Sie Hecken an oder pflanzen Sie einheimische Sträucher in Wiesen, Gärten und entlang von Feldern.

-> Naturnah gestaltete Gärten sowie Gartenteiche erhöhen ebenfalls das Nahrungsangebot.

-> Altenau rückbauen
Eine Besonderheit bei uns ist die Altenau, die seit etwa 25 Jahren im Sommer trocken fällt. Jedem leuchtet ein, dass das ein Drama für die Fische ist, doch auch für unsere Schwalben ist das von Nachteil. Denn es sterben ja nicht nur die Fische, sondern auch die Wasserinsekten wie Eintags- und Köcherfliegen. Diese Insekten machten nach deren Schlupf früher für einige Wochen einen großen Teil der Beute für die Schwalben und anderer Vogelarten aus. Diese proteinhaltige Beute fehlt nun bei uns nun weitgehend. Aber mit der begonnen Renaturierung der Altenau wird sich dieses Gleichgewicht hoffentlich in Kürze wieder einstellen.

Rückgebaute Altenau:
Mehr Abwechslung, mehr Fische,
mehr Insekten, mehr Futter für Schwalben

Fazit: Bei uns sind Schwalben selten geworden und wenn nicht´s passiert, dann werden sie in den nächsten 10 Jahren fast ganz verschwunden sein. Unser Dorf wäre dann um ein weiteres Stück Natur und Kultur ärmer. Um das zu verhindern, kann man etwas tun. Viele dieser Maßnahmen helfen auch anderen selten gewordenen Vogelarten. Wann haben Sie zuletzt bei uns einen Neuntöter, ein Rebhuhn, einen Gartenrotschwanz oder eine Turteltaube gesehen oder einen Kuckuck gehört? Eben.

Mit besten Grüßen,
Ulrich Eichelmann

Atteln im Januar 2011